Cooper-Report | |
Hi,
Nach dem Rennen in Spa vor 14 Tagen machte sich das Cooperteam auf den Weg in das gut 450 Kilometer entfernte Rouen, wo der französische Grand Prix stattfinden sollte. Nach etwa 12 Stunden Fahrtzeit erreichten wir mit unseren schwer beladenen Teamtrucks die Rennstrecke. Doch anstatt Herwig und mir nach dem anstrengenden Rennen in Spa ein paar Tage Urlaub zu gönnen, ordnete unser Teamchef schon direkt wieder umfangreiche Testfahrten in Rouen an. Wir waren davon natürlich alles andere als begeistert, hatten wir uns doch schon so auf einige freien Tage gefreut. Herwig schien allerdings auf die Testfahrten noch weniger Lust zu haben als ich. Denn am nächsten Morgen, als die Tests beginnen sollten, war von ihm nichts mehr zu sehen. Lediglich fand ich in seinem Raum im Cooper-Motorhome einen Zettel auf dem stand: „Ich bin für eine Woche im Urlaub. Komme am 17. Oktober wieder .“ Damit ging ich zum Teamchef. Er saß gerade in seinem Raum beim Frühstück und wie es schien war seine Laune jetzt schon auf dem Nullpunkt. Aber was sollte ich tun? Ich gab ihm also Herwigs Zettel und brachte mich schnell in Sicherheit. Und das war auch gut so denn kaum hatte er ihn gelesen, brüllte er auch schon wütend los und schmiss zornig seinen Frühstückstisch um. (Zum Glück hatten Herwig und ich ihm mal zu seinem Geburtstag Plastikgeschirr geschenkt. So blieb wenigstens alles heil. ) Die nächsten Stunden fluchte er weiter vor sich hin und keiner traute sich ihm zu nähern. Am Nachmittag versuchte ich ihn zu beruhigen, schließlich ist Herwig ja die Nummer 1 im Team und er hat sich einen kleinen Urlaub ja mal verdient. Doch der Teamchef brummte weiter missmutig vor sich hin und meinte, dass Herwig schon sehen wird, was er von seinem eigenmächtigen Urlaubsnehmen hat. Zum Abschluss sagte er noch folgendes: „Benjamin, in Rouen bist du die Nummer 1. Ab morgen wirst du dann die Testfahrten allein absolvieren. Und nächste Woche ist die neue Nummer 2 ja hoffentlich auch wieder im Team .“ Man, das waren ja tolle Neuigkeiten. Ich sollte als Nummer 1 an den Start gehen. Dies motivierte mich noch zusätzlich für die Tests.
Die nächsten Tage begannen dann für mich die Tests. Der Wagen lief prächtig. Ich hatte keinerlei technischer Probleme. Die Rundenzeiten fielen. Zum Ende der ersten Testwoche hatte ich eine 1:58.5 zur Buche stehen. Sogar mein Teamchef murrte mir ein paar lobende Worte zu. Nun kamen nach und nach auch die Rennteams von Lotus, Ferrari und Brabham an die Rennstrecke. Es herrschte gegen Ende der ersten Testwoche schon reger Betrieb.
Für die nächste Woche hatte der örtliche Wetterdienst extrem heißes Wetter für die Region rund um Rouen vorrausgesagt. Die Temperaturen sollten bis zu 35° steigen. Mit Regen sei in den nächsten 10 Tage nicht zu rechnen. Das waren ja schöne Aussichten.
Am nächsten Montag kam dann auch Herwig aus seinem Urlaub zurück. Er machte einen sehr erholten Eindruck. Ich warnte ihn vor unserem Teamchef und berichtete ihm das Geschehene der letzten Tage. Zusammen machten wir uns dann auf den Weg in die Box um die 2. Woche der Testfahren in Angriff zu nehmen. In der Box trafen wir dann unseren Teamchef. Als er Herwig sah, verfinsterten sich seine Augen. Ich befürchtete schon wieder einen erneuten Wutausbruch. Ich setzte mich schon mal in meinen Cooper. Im Rückspiegel sah ich nur noch, wie das Gesicht vom Teamchef vor Wut immer roter wurde. Gleich würde er den armen Herwig wieder anbrüllen. Um meinen Teamkollegen davor zu bewahren, startete ich schon mal meinen Motor. Durch den satten Sound des Maserati-Motors gab es in der Box einen derartigen Lärm, dass der Teamchef wutentbrannt zu mir rüberschaut. Auf diesen Augenblick hatte Herwig nur gewartet. Er sprintete zu seinem Cooper rüber, setzte sich hinein, startete den Motor uns fuhr mit qualmenden Reifen aus der Box. Ich tat es ihm gleich und wir begannen Woche 2 der Testfahrten.
Zur Mitte der Woche hatte Herwig schließlich meine Bestzeit aus der letzten Woche mit einer 1:57.5 unterboten. Diese Zeit schien auch erst mal unseren Teamchef Herwig gegenüber Milde gestimmt zu haben. Da ich aber für zumindest dieses Rennen als die Nummer 1 gesetzt war, versuchte ich Herwigs Zeit zu unterbieten, um meiner neuen Rolle auch gerecht zu werden. Allerdings wurde dieses Vorhaben durch den auf der Strecke immer stärker werdenden Verkehr erschwert. Denn 4 Tage vor dem Rennen hatten sich nun auch die Rennteams von Eagle, BRM, Honda sowie etliche Privatteams hier eingefunden. Doch am Ende des Tags gelang es mir, Herwigs Zeit um 0,2 Sekunden zu unterbieten.
Freitagmittag gab es dann urplötzlich Probleme auf der Rennstrecke: Durch die hohen Temperaturen und den vielen Rennwagen auf der Strecke brach an einigen Stellen der Asphalt auf und mehrere Zentimeter tiefe Schlaglöcher entstanden. Die Rennleitung unterbrach sofort die Testfahrten und lies die Schäden untersuchen. Viele der Löcher wurden mit einem Spezialbeton geflickt, doch ob das lang genug halten würde, zumal sich an sehr vielen anderen Stellen auch schon deutliche Risse im Asphalt zeigten, wusste keiner der Streckenbetreiber. Letztendlich entschied sich die Rennleitung, die Testfahrten für den heutigen Freitag komplett abzubrechen. So hatte Herwig dann Zeit, mir seine Urlaubsdias zu zeigen und wir machten uns noch einen schönen Tag, auch wenn die Temperaturen fast schon unerträglich heiß waren.
Für das Wochenende versprach der Wetterbericht keine Wetteränderung. Es blieb bei Werten um die 36° . Dies kam der Rennstrecke mit Sicherheit nicht entgegen.
Für Samstag ordnete die Rennleitung an, dass jeder Fahrer nur 20 Runden habe, um noch letzte Abstimmungsarbeiten am Setup vorzunehmen, um die Strecke nicht noch mehr zu belasten. Nun legten wir unser Augenmark auf das Rennsetup. Noch minimale Änderungen an der Vorspur, dann lag der Wagen auch mit 90 Liter Benzin optimal auf der Strecke.
Am Renntag wurde für das WarmUp ebenfalls eine Rundenlimitierung für jeden Fahrer von der Rennleitung angeordnet. Leider half diese Limitierung nicht wirklich, denn es zeigten sich erneut viele neue Schlaglöcher und tiefe Risse im Asphalt.
Im Fahrerlager gab es natürlich nur ein Thema: Die Beschaffenheit der Rennstrecke. Konnte das Rennen überhaupt stattfinden? Die Rennleitung wollte es um jeden Preis austragen, allein für die geschätzten 80000 Zuschauer wäre eine Absage eine Katastrophe gewesen. Allerdings lies sich die Rennleitung dazu überreden, den Starttermin in die frühen Abendstunden zu verschieben, wenn die Temperatur etwas zurückgeht.
Die Qualifikation wurde für 19:15 Uhr angesetzt. Sie verlief aus meiner Sicht sehr erfolgreich. Platz 10 mit einer Zeit von 1:57.39. Herwig hatte mit seinem Cooper anscheinend kleine technische Probleme und kam nur auf Startplatz 17. Entsprechend enttäuscht zeigte er sich dann auch in der Box. Grund für seine Probleme waren Fehlzündungen. Während der Zeit bis zum Start wurde an Herwigs Wagen noch emsig gearbeitet. Mein Wagen wurde aufgetankt und in die Startaufstellung geschoben. Ich blieb zusammen mit Herwig in der zum Glück kühlen Box und trank noch eine Cola. Währenddessen hatten die Mechaniker die Fehlzündungen an seinem Wagen behoben, tankten ihn auf und rollten ihn in die Startaufstellung. Nun machten wir uns auf den Weg zu unseren Fahrzeugen. Auf dem Weg dorthin trafen wir unseren Teamchef. Er murmelte uns noch viel Glück zu und marschierte finsteren Blickes in die Box. Herwig und ich wünschten uns noch gegenseitig viel Erfolg und gingen anschließend zu unseren Startplätzen und zwängten uns in unsere Wagen rein.
Nur noch wenige Augenblicke bis zum Start. Ich machte mir Sorgen wegen dem Asphalt. Auf der Start/Ziel-Geraden war er noch weitgehend in Ordnung, allerdings lag dieser Abschnitt auch am Tag fast immer im Schatten der Haupttribüne. Problematischer waren da die anderen Streckenabschnitte. Aber jetzt stand erst einmal der Start an. Als die grüne Flagge endlich fiel, setzte sich das Feld geordnet in Bewegung. Aber schon in der Anbremszone zu T2 die erste gelbe Flagge. Der Ferrari von Andreas M. kam vermutlich aufgrund des dort extrem stark aufbrechenden Asphalts von der Strecke ab und rutschte die Böschung hinunter. Zum Glück ist ihm nichts passiert. Ende von Runde 1 liege ich auf Rang 9. Nun liegt Olli im Lotus direkt hinter mir. Eigentlich kam er mir nur auf der Geraden nach der langen Rechts gefährlich nah und zwang mich dort öfters auf die Kampflinie. Doch in Runde 7 konnte ich ihn nicht länger halten und er geht genau an der Stelle vorbei und verdrängt mich auf Platz 10. Vor allem im kurvigen 1. Sektor sah man ganz deutlich die Schäden und Schlaglöcher im Asphalt. 2 Runden später holte ich mir Position 9 zurück, als der Lotus von Andreas R. mit einem kapitalen Motorschaden weit zurück fiel. In den nächsten Runden konnte ich mich von meinen Verfolgern um Wojciech sukzessive weiter absetzen. Vor mir entbrannte nun der Kampf zwischen Olli und Michael. In Runde 16 war Ollis Motor das Opfer des heißen Wetters und ich konnte ohne Probleme am ausrollenden Lotus vorbei ziehen. Nun lag ich auf Rang 8. Inzwischen stellte Michael M. seinen Ferrari an der Box ab und gab das Rennen wegen der immer schlechteren Streckenverfassung auf. Im weiteren Verlauf kam der Brabham von Michael in größere Probleme und ich konnte ihn im 25. Umlauf überholen, als er einem neuen, sehr großen Schlagloch im 3. Sektor ausweichen musste. Meinen eben gewonnenen 7. Platz holte er sich jedoch eine Runde später vor T1 zurück. Dort geschah dann die Katastrophe. Michael fuhr vor mir über ein etwa 30 Zentimeter großes weggebrochenes Asphaltstück. Dieses wurde von ihm aufgewirbelt und traf meine rechte Vorderradaufhängung, welche durch den Aufprall stark verbogen wurde. Da auch die rechte Bremse heftig beschädigt wurde, verlor ich den Wagen in T2 komplett außer Kontrolle, rutschte die Böschung hinunter und krachte rückwärts gegen Streckenbegrenzung. Ein äußerst heftiger Aufprall. Das Auto war ein einziger Schrotthaufen. Durch den Aufprall war zu allem Überfluss auch noch der Tank leckgeschlagen und das restliche Benzin lief aus. Da der Motor auch stark qualmte, sah ich zu, dass ich schnellstmöglich aus dem Wrack rauskam. Dies gelang mir dann mit Hilfe der eiligst heraneilenden Streckenposten auch. Kaum war ich aus den Überresten meines Coopers draußen, da entzündete sich das ausgelaufene Benzin am Motor und der Wagen stand komplett in Flamen. Schwarzer Rauch stieg auf und hüllte die Unfallstelle ein. Aufgrund der großen Rauchentwicklung wurde auch die Rennstrecke rund um T2 stark eingenebelt. Gelbe Flaggen wurden geschwenkt. Die unmittelbar hinter mir fahrenden Wojciech, Hans-Peter und Thomas hielten ihre Wagen an, um, wenn nötig, erste Hilfe zu leisten. Doch dies war zum Glück nicht notwendig. Ein paar Minuten später hatten die Streckenposten das Feuer unter Kontrolle. Ich machte mich zusammen mit Wojciech, Hans-Peter und Thomas auf den Weg in Richtung Box und winkte den Zuschauern zu. Die Freude war ihnen anzusehen, dass mir bei dem Horrorunfall nichts passiert ist. Auch bedankte ich mich bei meinen Fahrerkollegen, dass sie ihr Rennen aufgaben um mir zu helfen.
Zurück an der Box erkundigten sich alle nach meinem Befinden. Selbst mein Teamchef war sehr besorgt gewesen. Währenddessen wurde Petr als Sieger abgewunken. Mein Teamkollege Herwig kam auf Platz 10 an und holte so zumindest ein paar Punkte für Cooper. Zu tiefst erleichtert, dass es mir gut geht, kam er in die Box und sagte: „Mensch, Gott sei Dank geht’s dir gut, Benjamin. Sah ja echt übel aus .“ Und sogar der Teamchef ergänzte, dass es das Wichtigste sei, dass mir nichts passiert ist.
Als sich die Aufregung etwas verzog, kamen natürlich Fragen auf, warum bei den schlechten Streckenbedingungen das Rennen gestartet wurde. Die Rennleitung meinte, man hätte ja nicht absehen können, dass so was passieren wird. Nach langen Diskussionen bis spät in die Nacht wurde auch der Vorschlag abgewiesen, das Rennergebnis zu werten, wie es vor dem Unfall war. Auch egal, meinte der Teamchef. Im nächsten Rennen greifen wir erneut an. Herwig und ich stimmten ihm zu. So wird es sein.
Grats an Petr, Phil und Ingmar!
Gruß
Benjamin
|